Gottvertrauen statt Klugscheißerei

Spätestens die Bankenkrise hat es gezeigt: Da trauen sich riesige Konzerne, die massenweise bestausgebildete Volkswirtschaftler beschäftigen, nicht mehr, eine Prognose auch nur für das kommende Quartal abzugeben. Aber auch der interessierte Historiker weiß: Die meisten gelehrigen Prognosen auch noch so weiser Häupter sind einfach nur für die Tonne. Kirchenhistoriker können Ähnliches berichten.
Es ist einfach nur Quatsch, in die Zukunft blicken zu wollen. Und es ist darüber hinaus Häresie. Denn wo auch immer der Mensch versucht, dies zu tun, versucht er, Gott zu imitieren. Dabei kann er sich nur lächerlich machen.
So weit, so gut. Aber was folgt daraus?
Ich frage mich, ob wir denn überhaupt Ziele abstecken können. Und wozu wir diese Ziele brauchen.
Teile der evangelischen wie katholischen Kirche haben in der Zeit von 1933 bis 1945 Heldenhaftes vollbracht. Nur ein verschwindend kleiner Teil (aber immerhin) der Christinnen und Christen in Deutschland hat sich dem Dämonischen des vorherrschenden gesellschaftlichen wie religiösen Mainstream widersetzt. Und damit für alle Zeiten ein unvergessliches Zeichen hinterlassen. Für einen Martin Luther King gilt Ähnliches.
Dabei haben sie nicht strategisch gearbeitet. Und erst recht nicht statistisch. Sie haben sich einfach den Herausforderungen gestellt, die sich ihnen zeigten, sie manchmal überrollten, viele ihr Leben kostete.
Einen Traum hatten sie. Ziele. Vorstellungen. Aber keine fertig ausgetüftelten Langzeitpläne. Sie haben Evangelium gelebt, nach den jeweiligen Anforderungen, die sie aktuell für sich erkannten.
Ich suche schon seit einiger Zeit nicht mehr aktiv nach so etwas wie „Gottes Plan für ein Leben“. Aus einem einfachen Grund: Wenn ich vor zehn Jahren gewusst hätte, wie „Gottes Plan“ für meine nächsten fünf Jahre aussieht, dann hätte ich mir ziemlich sicher eine Kugel durch den Kopf gejagt. Ich will „Gottes Plan für mein Leben“ nicht kennen. Weil ich leben will, anstatt vor Angst und Sorge angesichts kommender Krisenzeiten den Verstand zu verlieren.
Was mich allerdings brennend interessiert, ist Gottes Absicht für mich und mein Leben. Danach will ich mich ausstrecken, um sie zu spüren, ihr näher zu kommen. Mit allem, was ich bin und habe.
Also keine Klugscheißereien wie „Gott will, dass wir unser Gemeindedach renovieren“ etc. Ich glaube, dass Gott so manches einfach ziemlich scheißegal ist. Wenn ich morgen Spiegelei statt Rührei zum Frühstück esse, wird das Raum-Zeit-Kontinuum dadurch z.B. voraussichtlich keine irreparablen Schäden nehmen.
In den letzten Jahren ist es mir öfter einmal passiert, dass Gott auf mein dringliches Bitten, mir eine wichtige Entscheidung abzunehmen, mit einem wohlwollend gelächelten „Junge, das kannst du auch alleine, such dir was aus“ geantwortet hat. Das fand ich schon irgendwie enttäuschend.
Na ja, so ist er eben. Vertrauen und so.

3 Kommentare (+deinen hinzufügen?)

  1. Nathalie
    Apr 27, 2010 @ 13:57:13

    Das Thema (in Variation) beschäftigt mich auch gerade. Die oft so hochgelobten Visionen, die man und frau für seine Arbeit haben soll – was ist dran? Spannendes Thema…

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    • judith
      Apr 27, 2010 @ 14:18:30

      geht mir auch so, und da kommen mir gleich ein paar gute Ideen für das Seminar auf dem BUJU, von wegen Gottes Willen für mein Leben… da ist echt was dran, nicht die Langzeitperspektive, sondern das Hier und Jetzt zu leben… Ich habe Gott auch mal so erlebt, dass ER lächelnd neben mir stand, wo ich SO GERNE eine Entscheidung von IHM bekommen hätte… so musste ich lernen, mich selber zu entscheiden… irgendwie auch Up To You von Gott, was?! ; )

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  2. wurstbrot
    Aug 26, 2010 @ 11:26:10

    könnten meine Gedanken sein… danke

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